Die Geschichte von Call-by-Call und Pre-Selection - Teil 7: Der
"Bruder" von Call-by-Call - mit "Internet-by-Call" wurde auch das
Surfen günstig
Zum
Jahreswechsel 2024/2025 wurden die vor allem früher von vielen
Telekom-Kunden genutzten Dienste Call-by-Call und Pre-Selection (zum
günstigen Telefonieren über andere Anbieter) abgeschaltet. Eine gute
Gelegenheit für einen Rückblick auf ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des deutschen Telekommunikationsmarktes.
Als
Nebeneffekt brachte Call-by-Call auch die Möglichkeit zum günstigeren
Internet-Surfen mit sich. Vor der Festnetz-Marktliberalisierung 1998
gab es zwar
schon - neben der Telekom mit ihrem aus Btx bzw. Datex-J
hervorgegangenen T-Online - verschiedene konkurrierende
Online-Dienste bzw. Internet-Provider (CompuServe, AOL, Netsurf,
Nacamar, etc.), doch neben den eigentlichen Providerkosten fielen hier
immer auch noch die jeweiligen Telefonkosten an, um den betreffenden
Einwahlknoten via analogem Modem oder ISDN-Karte zu erreichen - und
hierfür war man vor 1998 dann wiederum auf die Telekom angewiesen.
Wer in
Ballungsgebieten wohnte, hatte meist mehrere Provider im
Einzugsbereich des günstigen Ortstarifes zur Auswahl, in ländlichen
Gebieten hatte unter Umständen nur die Telekom (T-Online) einen Einwahlknoten im
Orts- bzw. Nahbereich zu bieten. Gerade für Powernutzer waren Anbieter
wie Netsurf oder Nacamar mit ihren Pauschalen zwischen 25 und 49 DM pro
Monat interessant, bei denen keine weitere Kosten
pro Minute oder Megabyte mehr entstanden – aber wohlgemerkt nur für die
reine Internet-Verbindung. Konnte man den nächstgelegenen Einwahlknoten
zum Ortstarif erreichen, fielen für die Telefonverbindung dorthin immer
noch Minutenkosten zwischen 3 und 8 Pfennig pro Minute an – abgerechnet
zu Einheiten von jeweils 12 Pfennig. War der angewählte Einwahlknoten
weiter entfernt, wurden entsprechend die Kosten für ein Regional- oder
Ferngespräch fällig.
Zwei Effekte brachten dann den Wettbewerb im
Internet-Zugangsmarkt ab 1998 in Schwung: Viele Provider bauten ihren
Einwahlnetze aus – entweder durch weitere Zugangsknoten übers Land
verteilt (wie z.B. AOL mit seinem Einwahlpartner Mediaways) – oder aber indem
man sich mit einem CbC-Carrier zusammentat, eine Einwahlnummer nach dem
Muster 010xy-019xyz schaltete und sich den Einwahlverkehr dann über das
Telefonnetz dieses Anbieters zu ein paar zentralen Einwahlknoten zuführen
ließ.
Die
CbC-Anbieter stiegen oftmals auch selbst in den
Internet-Zugangsmarkt ein und boten dann in der Regel einen
Komplettpreis für Telefoneinwahl + Internet-Nutzung an. Während die
ersten Anbieter wie Talkline mit seinem Angebot Talknet hierfür
zunächst eine
Anmeldung erforderten, brachte Arcor im Herbst 1998 das wohl erste
komplett anmeldefreie „Internet Call-by-Call“-Angebot (wie es damals
hieß, später wurde daraus die allgemeine Bezeichnung
"Internet-by-Call") auf den deutschen
Markt – ohne Grundgebühr, sondern einfach pro Minute abgerechnet. Die
damaligen Minutenpreise von 12 - 16 Pfennig pro Minute machten ein
solches Angebot zunächst für diejenigen Nutzer interessant,
die nicht allzuviel im Netz waren – denn für Powernutzer waren die
oben erwähnten Angebote mit pauschalen Internet-Tarifen und (geringeren)
minutenabhängigen
Telefonkosten ab einer gewissen Stundenzahl im Monat noch günstiger,
aber das Preisniveau im Markt bröckelte auch hier immer mehr - in den
2000er Jahren war Surfen über ISDN oder Modem bald für 1 Cent pro Minute
und weniger möglich.
Das im vorherigen Teil für CbC-Telefonie
beschriebene "Tariflotto" breitete sich aber auch im Internet-by-Call-Markt aus. Das
flexible und anmeldefreie Surfen wurde zwar immer günstiger, man mußte
aber bei
vielen Anbietern auch genau aufpassen, ob der betreffende Tarif
überhaupt noch gültig war oder nicht. Manche Provider spielten munter
mit Tarifen und Einwahlnummern oder änderten einfach die für alle
Nutzer identischen Kennungen wie Benutzername und Paßwort. Mit den
geänderten Einwahldaten bot man dann eventuell wieder einen neuen günstigen Tarif
an, bei den alten Einwahldaten wurden im Gegenzug oft die Preise kräftig
erhöht. Wer die jeweilige Änderung nicht mitbekam, zahlte unter
Umständen kräftig drauf.
Mit
Einführung der „Carrier Selection Phase 2“ wurden für die
019xy-Einwahlnummern die CbC-Vorwahlen überflüssig, stattdessen wurden
diese Nummern einfach generell über den Anbieter geroutet, in dessen
Netz sie geschaltet waren. Ob man diese Einwahlen dann noch technisch
als „Call-by-Call“ ansehen möchte, läßt sich diskutieren, aber es blieb
letztlich doch das gleiche Prinzip. Sowohl Call-by-Call als auch
Internet-by-Call ermöglichten weiterhin die flexible Nutzung
verschiedener Anbieter und übten so auch weiterhin Wettbewerbsdruck auf
den Markt aus.
Durch
den Preisdruck auf dem Festnetzmarkt mußte auch die Telekom ihre Preise
anpassen und führte - wie bereits in den früheren Teilen geschildert -
schrittweise auch Telefonie-Flatrates ein. Mit der Sonntags-Flatrate
"XXL" (später "XXL Sunday genannt") konnten findige Nutzer über
Provider mit klassischen Ortseinwahlnummern auch "kostenlos" im
Internet surfen. Auch hier entstanden zahlreiche anmeldefreie
Einwahlmöglichkeiten, die sich in diesem Fall lediglich über die
Interconnection-Entgelte finanzierten, die die Telekom an den Netzbetreiber
der betreffenden Einwahlnummer zahlen mußte (der wiederum
entweder mit dem jeweiligen Provider identisch war oder diesen an
den erhaltenen IC-Entgelten beteiligte). Bei den späteren Flatrates (ab der
Einführung von "XXL Weekend" im Jahr 2004) reagierte die Telekom dann
aber hierauf und schloß ihr bekannte Ortseinwahlnummern über eine
"schwarze Liste" von ihren Telefonie-Flatrates aus.
Wirkliche
Flatrates für die Internet-Nutzung - wie z.B. in den USA - gab es in
Deutschland nur begrenzt und am ehesten in den Netzen alternativer
Anschlußanbieter für diejenigen Kunden, die mit ihrem gesamten Anschluß
dorthin gewechselt waren.
Es versuchten zwar auch mehrere
Provider, eine Internet-Flatrate für Nutzer mit Telekom-Anschluß
anzubieten, diese waren aber immer mit dem Problem konfrontiert,
daß sie für die Einwahl von Kunden aus dem Telekom-Netz über eine
019xyz- oder 0800-Rufnummer jeweils minutenabhängig an die Telekom zahlen
mußten, aber selbst ja nur einen Pauschalbetrag von ihren Kunden
bekamen.
Eventuell
war die flexible Nutzbarkeit von günstigen "Internet-by-Call"-Tarifen
sogar ein Nachteil für die
Flatrate-Experimente, denn die anmeldefreien IbC-Angebote von damals
meist 2-3
Pfennig pro Minute (zum Zeitpunkt einiger bekannter Flatrate-Versuche
zwischen 1999 und 2001) waren für Wenignutzer so günstig, daß sich für
diese
Nutzergruppe eine vollwertige Flatrate zu Kosten von meist um die 70-80
Mark pro Monat nicht lohnte und hauptsächlich "Powernutzer", die viel
im Netz unterwegs sind, als Zielgruppe für die Flatrates übrig blieben.
Durch
teils völlig überlastete Einwahlknoten schaukelte sich das Problem dann
noch immer weiter hoch, denn wenn ein Nutzer nach vielen
Einwahlversuchen endlich durchkam, blieb er unter Umständen auch dann
noch im Netz, wenn er den Zugang eigentlich gar nicht brauchte, nur um
bei einer erneuten Einwahl nicht wieder endlose Einwahlversuche starten zu
müssen. Die meisten "Schmalband"-Flatrates für Analog/ISDN hatten daher
ein kurzes Leben (Anbieter wie "Sonne" oder "Tomorrow" zogen sich rasch
aus dem Einwahlmarkt wieder zurück, andere Provider wie T-Online und
AOL stellten ihre Flatrate-Tarife nach einer gewissen Zeit ein und
verwiesen deren Nutzer wieder auf minutenbasierte Tarife).
Eine Art
Ausnahme war Arcor (Vodafone), das in den 2000er-Jahren relativ spät
noch eine Analog-/ ISDN-Flatrate für die Internet-Nutzung aus dem
Telekom-Festnetz einführte (sogar unter dem Namen "Internet-by-Call
Flatrate") und diese einige Jahre lang anbot. Die Flatrate mußte aber
monatlich neu gebucht werden - zu einem Preis der von der Intensität
der vorherigen Nutzung abhängig war. Wer "zu viel" im Netz war, bekam
aber unter Umständen im Folgemonat keine Verlängerung mehr für seine
Flatrate. Damit konnte Arcor / Vodafone die "Poweruser"-Thematik
halbwegs im Griff behalten, zumal die Vorleistungskosten pro Minute an
die Telekom in diesen Jahren auch immer weiter sanken. Internet über
Analog/ISDN war aber zu diesem Zeitpunkt schon zunehmend ein
Nischenthema geworden.
Denn
mit der Einführung von breitbandigen
DSL- und
Kabel-Internet-Anschlüssen, bei denen die Internet-Nutzung oftmals
"endlich" pauschal mit Flatrates abgerechnet wurde, ging die Nutzung
von
Internet-by-Call in den 2000er und 2010er Jahren immer weiter zurück.
Für
Wenignutzer oder Kunden in Gebieten ohne DSL-Versorgung war IbC aber
weiterhin ein möglicher Zugangsweg ins Internet. Ab etwa 2010 zogen
sich dann immer mehr Netzbetreiber aus diesem Markt zurück und damit
auch die auf den jeweiligen Einwahlplattformen befindlichen
Reseller-ISPs, die die Internet-Zugänge des jeweiligen Netzbetreibers
unter eigenem Namen vermarkteten. Arcor (bzw. Vodafone), das
Geburtshelfer für den Internet-by-Call-Markt war, hielt mit seinen
Angeboten bis 2023 durch und dürfte damit sowohl der erste, als auch
der letzte Anbieter von "Internet-by-Call" gewesen sein.
Alle Teile der Artikelserie finden Sie in folgender Übersicht:
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