Die Geschichte von Call-by-Call und Pre-Selection - Kommentar: Das Ende einer Ära im deutschen TK-Markt
Zum
Jahreswechsel 2024/2025 wurden die vor allem früher von vielen
Telekom-Kunden genutzten Dienste Call-by-Call und Pre-Selection (zum
günstigen Telefonieren über andere Anbieter) abgeschaltet. Eine gute
Gelegenheit für einen Rückblick auf ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des deutschen Telekommunikationsmarktes
Das
Ende von
Call-by-Call und Pre-Selection dürfte viele Nutzer nicht
mehr direkt betreffen. Mancher wird sich vielleicht sogar gewundert haben, daß es
diese „alten" Dienste überhaupt noch gab.
Dennoch stellte ihre
Abschaltung einen eindeutigen Verlust für den deutschen TK-Markt da. Wer vor allem die Zeit zwischen
etwa 1998 und 2010 als Vieltelefonierer selbst miterlebte, dürfte sich
noch an die regelmäßige "Jagd" nach den besten "Sparvorwahlen" erinnern,
um billig telefonieren zu können.
Zwar
gibt es heute viele
Möglichkeiten, auch über große Entfernungen miteinander für wenig Geld oder
sogar ohne weitere Extrakosten zu
kommunizieren, aber Call-by-Call war vor allem in seiner anmeldefreien Form
einfach besonders bequem und gleichzeitig (meist) auch günstig. Für
Gespräche in die deutschen Mobilfunknetze oder ins Ausland bot
Call-by-Call bis zum allerletzten Tag interessante Einsparmöglichkeiten
- denn bei vielen Anbieter von Komplettanschlüssen für Telefonie und
Internet ist das Preisniveau für diese Ziele auch heute noch relativ
hoch:
Manche
Festnetz-Tarife bieten zwar auch Flatrates in die
deutschen Mobilfunknetze, aber wo dies nicht der Fall ist (und das sind
immer noch die meisten Tarife) sind Preise von bis zu etwa 20 Ct/Min
weiterhin üblich. Mit CbC waren dorthin teilweise schon Anrufe für
Preise zwischen 1 und 2 Ct/Minute möglich. Da braucht man sich nicht
wundern, wenn Nutzer aufs
Handy ausweichen, wo heutzutage in großem Stil "Allnet-Flats" mit
Flatrates in alle deutschen Netze angeboten werden.
Ins
Ausland berechnen viele der großen Komplettanschlußanbieter Preise
zwischen 2 und 10 Ct/Min für Gespräche in die deutschen Nachbarländer -
mit CbC waren Gespräche dorthin teils schon zu etwa 1-2 Ct/Min und
weniger zu bekommen. Verbindungen in ausländische Mobilfunknetze kosten zwar einige Cent mehr pro Minute, die Zuschläge hierfür
waren über Call-by-Call aber auch oft geringer als bei den gängigen
Anschlußbetreibern. Letztere bieten zwar teilweise Minutenpakete oder
Flatrates in manche ausländische Festnetze gegen Aufpreis an - da stellt
sich dann aber die Frage, ob sich der monatliche Aufpreis für den
Nutzer auch wirklich lohnt (sprich ob er wirklich regelmäßig und in
größerem Umfang in die entsprechenden Länder telefoniert).
Ein
Manko der großen Freiheit im CbC-Markt war aber auch, daß es kaum
Regeln für Tarife und Tarifänderungen gab. Dies bot manchem nicht so
seriösen Anbieter die Gelegenheit für Tricks mit plötzlichen
Preisänderungen von mehreren hundert Prozent und mehr, sodaß manche
Hitliste mit günstigen Telefontarifen in Zeitungen oder Zeitschriften
unter Umständen schon beim Erscheinen überholt war. Oder man hat gleich
für manche Ziele einen absurden Prohibitivpreis von z.B. 1,99
EUR/Minute festgelegt, in der Hoffnung, daß sich z.B. irgendwann mal
ein Nutzer verwählt (weil er eigentlich einen anderen Anbeiter
nutzen wollte) und in die aufgestellte Tariffalle tappt.
Hier
hätte man schon früher eine Pflicht für eine verständliche Tarifansage
einführen können (am besten mit eine festen Regel, wann ein Preis in
Cent und wann in Euro pro Minute angesagt werden muß) oder man hätte
strengere Regeln für Tarifänderungen an sich festlegen können (daß z.B.
die Preise an sich auch im Amtsblatt der RegTP / BNetzA veröffentlicht
werden müssen und kein allgemeiner Verweis auf die eigene
Internet-Seite zulässig ist. Die allermeisten Nutzer kennen dieses
Amtsblatt natürlich nicht, aber durch seinen 14-tägigen
Erscheinungsrythmus hätte es dann auch nur in diesem
Intervall irgendwelche Tarifänderungen geben können - gleichzeitig
hätte dies unseriöse Lockangebote erschwert, weil ein Anbieter so immer
mindestens für 14 Tage an seine eigenen Tarife gebunden gewesen wäre).
Ebenfalls
denkbar wäre die Festlegung eines Maximalpreises gewesen, was absurde 1,99
EUR/Minute-Preise für gängige Ziele verhindert hätte. Interessanterweise war
es vor ein paar Jahren ausgerechnet die EU, die für Telefonate
innerhalb der EU einen Maximalpreis von 22 Cent/Minute festlegte -
diese Höchstgrenze galt dann logischerweise auch für CbC-Anbieter.
Daß
die
Bundesnetzagentur die Telekom in den für CbC und Pre-Selection
entscheidenden Marktbereichen nicht mehr als marktbeherrschend ansieht,
läßt sich durchaus kritisch diskutieren. Das Problem ist aber eben auch
die
Kopplung dieser Dienste an den Status des marktbeherrschenden
Anbieters. Theoretisch
hätte man sich eher darüber Gedanken machen können, ob die CbC-Pflicht
nicht auch auf andere Anschlußanbieter ausgedehnt werden sollte, aber
diese Idee konnte sich schon früher nicht durchsetzen. Zwar gab es eine
"CbC-Pflicht für alle" sogar schon einmal - und zwar in der Anfangszeit
der Festnetz-Liberalisierung (1998-2003) - aber damals war
üblicherweise die Telekom der einzige Nachfrager.
Daß die
Telekom die freiwillige Branchenvereinbarung mit den gängigen
CbC-Anbietern nicht mehr weiter verlängert hat, ist sehr bedauerlich.
Die flexible Nutzbarkeit von CbC-Vorwahlen an Telekom-Anschlüssen war
ein wirkliche Pluspunkt für die Telekom und könnte auch so manchen Nutzer
davor bewahrt
haben, mit dem kompletten Anschluß zu einem Konkurrenten zu
wechseln. Nun fällt ein echtes Alleinstellungsmerkmal ohne Not einfach weg -
und das in einem Markt, in dem sich viele Angebot eh kaum wirklich
unterscheiden (zumindest aus Sicht des Nutzers, der sich mit
technischen Details meist kaum auskennt), sondern oftmals hauptsächlich
über den Preis verkaufen.
Zudem
hat die Telekom mit CbC und Pre-Selection durchaus auch Geld verdient,
denn sowohl die Mitnutzung des Telefonnetzes der Telekom (für die Zuführung
und Zustellung von Gesprächen), als auch die Abrechnung über die
monatliche Telefonrechnung der Telekom kostete die anderen Anbieter
immer etwas. Natürlich mag die Telekom bei einem Telefonat in die
Mobilfunknetze oder ins Ausland nun mehr Geld verdienen, wenn der Kunde
jetzt "direkt" über die Telekom telefoniert, statt über einen CbC-Anbieter.
Aber vielleicht gilt nun auch wieder der alte Spruch "Fasse Dich kurz" -
wenn die Minute zum Handy statt 2 nun wieder 20 Cent kostet - falls man
wie gesagt nicht stattdessen gleich zum eigenen Handy mit Allnet-Flat
oder einem Alternativ-Dienst wie WhatsApp o.ä. greift.
Mit den
Callthrough-Diensten über 0180-Rufnummern gibt es wenigstens ein
zumindest teilweise ähnliches Produkt als Quasi-Nachfolger des klassischen
Call-by-Call. Doch durch das starre 0180-Tarifschema sind hier keine so
günstigen Preise mehr für viele Ziele möglich, wie früher bei CbC.
Es
bleibt auf jeden Fall die Erinnerung an ein spannendes und
interessantes Kapitel auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt - wer
diese Zeit aktiv mit verfolgt hat, der konnte erleben, wie
Telekommunikation in breitem Umfang bezahlbar wurde.
In den 1990er
Jahren wurde der Begriff des "Death of Distance" geprägt, der beschrieb,
wie die Revolution auf dem Kommunikationsmarkt auch das Leben der
Menschen verändert und daß die Entfernung (Distanz) bei den
Kommunikationskosten keine große Rolle mehr spielen wird. Und in der
Tat: Heute kostet grenzenlose
Kommunikation im Vergleich zu früher praktisch nichts mehr (einen
halbwegs passenden Tarif vorausgesetzt) - und das fast egal wohin auf
dieser Welt. Call-by-Call und Pre-Selection haben ihren Teil zu
dieser
Entwicklung beigetragen. Wenn
heute außerhalb von Flatrates noch Minutenpreise berechnet
werden, ist die Entfernung zum Ziel mehr oder weniger egal - denn der
entscheidende
Kostenfaktor sind nicht mehr die Kosten für die Übertragung in den
internationalen Seekabeln o.ä., sondern eher die Verrechnungskosten,
die das Zielnetz verlangt. Deshalb gibt es auch heute noch einige
relativ "teure" Länder, die eben diese Verrechnungsentgelte anderer
Netzbetreiber als Einnahmequellen für Devisen sehen, da sind aber aus
Sicht der meisten Nutzer eher "exotische" Ziele.
Die alltägliche Verfügbarkeit und die
im Vergleich zu früher erheblich gesunkenen Kosten der Telekommunikation sollten uns aber
nicht dazu verleiten, dies alles als belanglos und selbstverständlich
anzusehen - getreu dem Motto "Was nichts kostet, ist nichts wert". Die
Möglichkeit zur günstigen und quasi weltweiten Kommunikation ist in der
Menschheitsgeschichte ein Privileg, das wir auch in Zukunft wertschätzen
sollten.
Leider geht in der ganzen Diskussion über "Haß und
Gewalt" im Netz, irgendwelche zweifelhaften Verkäufer von
Telefonverträgen oder irgendwelche Abzocktricks im Internet oft das Bewußtsein dafür verloren, welche erstaunliche Technik da im
Hintergrund werkelt, um uns die jederzeit verfügbare Verbindung
weltweit zu ermöglichen - egal ob mit der klassischen Telefonie oder
dem Internet an sich (wobei das Telefonieren heutzutage quasiauch nur
noch ein Dienst von vielen im weltweiten Internet ist).
Aber
vielleicht können ja auch Webseiten wie diese hier dem interessierten
Nutzer das eine oder andere Thema aus der großen, weiten Welt der
Telekommunikation etwas näher bringen...
Alle Teile der Artikelserie finden Sie in folgender Übersicht:
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