Die Geschichte von Call-by-Call und Pre-Selection - Teil 6:
Tariflotto und Tarifansagen / Die weitere Entwicklung und das Ende 2024
Zum
Jahreswechsel 2024/2025 wurden die vor allem früher von vielen
Telekom-Kunden genutzten Dienste Call-by-Call und Pre-Selection (zum
günstigen Telefonieren über andere Anbieter) abgeschaltet. Eine gute
Gelegenheit für einen Rückblick auf ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des deutschen Telekommunikationsmarktes.
Die 2000er Jahre waren auch von einem zunehmenden „Tariflotto“ geprägt, bei
dem einige Anbieter teils sehr kurzfristig und massiv ihre Preise
änderten und damit teilweise auch erheblich teurer als die Telekom
waren. Dies legte nahe, daß manche Anbieter es offenbar bewußt darauf
anlegen, Kunden mit Niedrigpreisen anzulocken und dann ihre
Unwissenheit über die Schnellebigkeit des Marktes auszunutzen.
Die
Call-by-Call-Anbieter konnten hierbei davon profitieren, daß es für sie
rechtlich ausreichend war, ihre AGBs in Ihren "Geschäftsstellen"
breitzuhalten (hierunter dürfte man z.B. die jeweilige Internet-Seite
verstanden haben) und im Amtsblatt der Aufsichtsbehörde RegTP (später
BNetzA) zu veröffentlichen. Gleichzeitig wurde es akzeptiert, daß
Anbieter in die AGBs sehr allgemeingehaltene Klauseln hineinschrieben, die hinsichtlich der
aktuell gültigen Tarife lediglich auf die eigene Homepage verwiesen.
Hierdurch
wurde es möglich, einfach die jeweils auf der eigenen Website
veröffentlichten Preise zu verlangen und diese jederzeit ohne
Vorwarnfrist ändern zu können - ungedachtet der Frage, ob bzw. wie ein
Nutzer tatsächlich hiervon erfahren hatte bzw. erfahren konnte.
Diese
rechtliche Konstruktion war die Grundlage dafür, daß der Nutzer eben
nicht erst irgendwelche Vertragsunterlagen inkl. Preisliste anfordern
mußte, sondern sofort anmeldefrei einen CbC-Anbieter nutzen konnte. Was
dem Nutzer maximale Freiheit und Flexibilität bei der Anbieterauswahl
ermöglichte, bedeutete auch maximalen Spielraum für den Anbieter, quasi
beliebige Tarife verlangen zu können. Es war ja schließlich lange Zeit
noch keine Pflicht, den konkreten Tarif anzusagen. Es gab zwei schon
frühzeitig einzelne Anbieter, die dies freiwillig taten (die
CbC-Vorwahl 01051 war hier 1999 quasi der Pionier bei der Einführung
von Tarifansagen), ein Muß war das aber eben damals noch nicht.
Auch
die Tatsache, daß es sowohl fünfstellige (010xy), als auch
sechsstellige (0100xy) CbC-Vorwahlen gab, sorgte teilweise für
Verwirrung - dies ermöglichte Geschäftsmodelle, bei denen zumindest der
Verdacht nahelag, daß sich ein Anbieter bewußt die passende
"Spiegelvorwahl" zu einer bestimmten CbC-Vorwahl sicherte, um Nutzer
einzufangen, die sich vertippten oder die doppelte Null bei den
sechsstelligen Vorwahlen für einen Schreibfehler hielten, um diesen
dann einen mehr oder weniger überteuerten Tarif zu berechnen, der sonst
aber kaum oder nirgends beworben wurde.
2012
kam schließlich die Pflicht zur Einführung von Tarifansagen, die
mehr Transparenz in den Markt brachte. Die einen Anbieter gaben aber
ihre Preise in Cent pro Minute an, die anderen wiederum in Euro pro
Minute. Da mußte man schon genau hinhören und mitrechnen. Denn wenn ein
Kunde evtl. nicht den Unterschied zwischen 1,99 Cent und 1,99 Euro pro
Minute erkannte, konnte ein vermeintlich günstiger Anruf sehr teuer
werden. Es gab auch Anbieter mit einer Ansage nach dem Schema
„X,XX pro Minute. Angabe in Euro inkl. X% Umsatzsteuer“, die eine
unnötige Pause zwischen dem eigentlichen Preis und der Einheit hatten,
und so nicht gerade ein Musterbeispiel für Transparenz waren.
Die
Bundesnetzagentur (2005 aus der ursprünglichen Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post entstanden und inzwischen auch für andere
ehemalige Monopolmärkte wie Strom, Gas und Eisenbahn zuständig) führte
in all diesen Jahren immer wieder Marktanalysen durch und erstellte in
der Folge auch entsprechende Regulierungsverfügungen, je nachdem für
wie regulierungsbedürftig der jeweilige Marktbereich noch gehalten
wurde. Im Bereich für Telefonverbindungen bejahte die BNetzA lange Zeit
auch noch die marktbeherrschende Stellung der Telekom – doch 2019 war
dies nicht mehr der Fall. Damit entfiel auch die Grundlage für eine
weitere Anordnung von Call-by-Call und Pre-Selection, denn wie weiter
oben erläutert waren diese Dienste seit der Reform von 2003 nur noch
für marktbeherrschende Anbieter vorgesehen.
Durch
den inzwischen entstandenen Wettbewerb, bei dem der Nutzer mit seinem
gesamten Telefon- und Internet-Anschluß zwischen verschiedenen
Anbietern wählen kann und aufgrund der zunehmenden Konkurrenz von
Mobilfunk und sogenannten OTT-Diensten (die einfach auf bestehende
Netzzugänge aufsetzen, wie z.B. WhatsApp, Facetime, Skype und Co.)
sieht die BNetzA inzwischen genug Auswahlmöglichkeiten für den Nutzer.
Zudem bieten viele Festnetzanbieter mittlerweile gegen Aufpreis auch
Flatrates für Anrufe in die deutschen Mobilfunknetze oder gängige
ausländische Festnetze an. Daß all diese Alternativen aber oft nicht
ganz so günstig oder einfach wie die flexible Anbieterauswahl via
Call-by-Call sind, spielt dabei keine Rolle.
Auch
die Tatsache, daß z.B. die Telekom bei vielen aktuellen Tarifen
weiterhin 2,9 Ct/Min und mehr in ausländische Festnetze verlangt und
für Anrufe in die deutschen Mobilfunknetze meist sogar 19 Ct/Min
berechnet – und damit auf dem Preisniveau alter Tarife aus den 2000er
Jahren verblieben ist (obwohl die Verrechnungssätze zwischen Anbietern
seitdem deutlich gesunken sind), ist hierbei egal.
Im
Folgenden schlossen die Telekom und der Branchenverband VATM, in dem
auch die gängigen CbC-Anbieter vertreten sind, zunächst eine
Branchenvereinbarung, in der die Telekom auf freiwilliger Basis
weiterhin CbC und Pre-Selection ermöglichte – zunächst bis Ende 2022,
bevor die Vereinbarung bis Ende 2024 verlängert wurde. Doch 2023 folgte
dann schließlich die für viele Nutzer traurige Mitteilung: Ende 2024
ist Schluß, eine weitere Verlängerung gibt es nicht.
Argumentiert
wurde hier insbesondere damit, daß die Telekom das sogenannte
„Offline-Billing“ beenden will, welches für anmeldefreies Call-by-Call
unerläßlich war . Bei diesem Abrechnungsverfahren liegt die Tarifhoheit
und die Zuständigkeit für die Erfassung der Abrechnungsdaten bei dem
Netzbetreiber, der den betreffenden Dienst (also z.B. eine CbC-Vorwahl)
erbringt. Die Abrechnung erfolgt dann entweder von diesem Anbieter
selbst oder er läßt seine Forderungen auf die Telekom-Rechnung setzen,
wo diese dann unter der Rubrik „Verbindungen über …“ aufgeführt werden.
Beim
anderen bekannten Abrechnungsverfahren, dem sogenannten Online-Billing,
liegt die Tarifhoheit und Zuständigkeit für die Abrechnungsdaten beim Anschlußanbieter (also in
diesem Beispiel der Telekom). Das Ende des Offline-Billings bedeutet
neben dem Aus für CbC und Pre-Selection nun auch eine Umstellung des
Abrechnungsverfahrens für Auskunftsdienste (118xy) und
„Mehrwertnummern“ (0900). Nach dem Ende des Offline-Billings wechseln
diese nun zum Online-Billing.
Ironie
der Geschichte: Die früheren 0190-Rufnummern für "Mehrwertdienste",
Vorläufer der heutigen 0900-Nummern, wurden (bis auf die Untergasse
0190-0) einst schon im Online-Billing abgerechnet. Es war unter anderem
die Telekom, die bei der Umstellung von 0190 auf 0900 auch den Wechsel
des Abrechnungssystems auf Offline-Billing befürwortete, denn so mußten
sich Kunden bei Fragen zu Verbindungen mit diesen Nummern an den
jeweiligen Netzbetreiber bzw. Anbieter der Rufnummer wenden und die
Telekom war diesbezüglich fein heraus. Das scheint nun kein Problem
mehr zu sein, vielleicht auch weil beide Nummernkreise
(Auskunftsdienste und Mehrwertdienste) heute nicht mehr so nachgefragt
sind wie früher und es nicht mehr so leicht ist, diese Nummern für
zwielichtige Dienste zweckzuentfremden.
Mit
dem Ende von Call-by-Call und Pre-Selection ist damit nun eine
einfache, flexible und meist auch günstige Möglichkeit des
Telefonierens weggefallen. Eine für alle Fälle perfekt passende
Ersatzlösung dürfte es nicht geben. Dem klassischen Call-by-Call am
nächsten dürfte den sogenannte 0180-Callthrough-Dienste kommen, bei dem man
sich - ähnlich wie früher bei einer Calling Card, aber in diesem Fall ohne Anmeldung - über eine
Einwahlnummer (in diesem Fall einer 0180-Rufnummer) in das System des
jeweiligen Anbieters einwählt, dort die eigentliche Zielrufnummer
eingibt und schließlich zum Wunschziel verbunden wird.
Die
0180-Callthrough-Anbieter sind dabei in der Regel auch aus den
Festnetzen anderer Anbieter und sogar aus den Mobilfunknetzen nutzbar.
Ein Problem ist aber, daß die 0180-Callthrough-Dienste sich nur am
festen Tarifschema für 0180-Rufnummer orientieren können und damit
oftmals teurer als die früher günstigsten Call-by-Call-Anbieter sind.
Zudem können bereits während der Weiterleitung zum Ziel Kosten
für die Verbindung zur angewählten Callthrough-Plattform anfallen.
Überzeugte CbC-Nutzer, die weiterhin eine flexibel nutzbare Lösung ohne
Wechsel des eigenen Anbieters bzw. Tarifes möchten, könnten sich die
0180-Callthrough-Angebote aber mal etwas näher anschauen, je nach Ziel
und Anbieter gibt es auch da interessante Sparmöglichkeiten - ein
Beispiel für einen solchen Anbieter wäre z.B. 3U Telecom (>> zum Anbieter: 0180-Calltrough von 3U Telecom).
Alle Teile der Artikelserie finden Sie in folgender Übersicht:
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