Die Geschichte von Call-by-Call und Pre-Selection - Extra: Wie alles endete - die Anbieter des Jahres 2024
Zum
Jahreswechsel 2024/2025 wurden die vor allem früher von vielen
Telekom-Kunden genutzten Dienste Call-by-Call und Pre-Selection (zum
günstigen Telefonieren über andere Anbieter) abgeschaltet. Eine gute
Gelegenheit für einen Rückblick auf ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des deutschen Telekommunikationsmarktes
In
den Jahren der "Call-by-Call-Ära" von 1998-2024 gab es einiges an
Bewegung auf dem Markt. Ein paar "Veteranen" (fast) der ersten Stunde
blieben all die Jahre auf dem Markt, auch wenn so manches CbC-Angebot
irgendwann nur noch ohne große Werbemaßnahmen und mit nur noch begrenzt
attraktiven Tarifen einfach so weiterlief. Auffallend war, daß 1998
noch viele unterschiedliche Unternehmen aus dem In- und Ausland ihr
Glück auf dem CbC-Markt versuchten (wenngleich manches Angebot gar nie
so richtig an den Start ging), während es über die Jahre hinweg zu
einer gewissen Marktbereinigung in der Branche kam.
Es gab
zwar immer eine Vielzahl von CbC-Vorwahlen zur Auswahl, dahinter
standen ab den 2000er Jahren aber zunehmend "Familien" von
CbC-Anbietern, die jeweils mehr oder weniger deutlich zu den gleichen
Mutterunternehmen gehörten oder durch technische bzw. personelle
Gemeinsamkeiten miteinander „verwandt“ waren. Der Hintergrund war,
daß in der Regel immer jeder Anbieter "nur" eine CbC-Vorwahl zugeteilt
bekommen konnte - lediglich wenn ein Anbieter einen Konkurrenten
übernahm, konnte er neben seiner eigenen CbC-Vorwahl auch die des
übernommenen Unternehmens behalten. Die "Ein Anbieter - eine Vorwahl -Regel" konnte man aber dadurch
"umgehen", indem man eben einfach Tochter- oder Schwestergesellschaften
gründete, die dann eine eigene CbC-Vorwahl bekamen.
Die wesentlichen Anbieter kurz vor der Abschaltung von Call-by-Call (und damit auch Pre-Selection) Ende 2024:
- Vodafone
(ehemals Arcor) blieb mit der 01070 bis zum letzten Tag auf dem CbC-Markt
aktiv, war für Privatkunden aber am ehesten für Orts- und Ferngespräche
abends und am Wochenende interessant. Tagsüber unter der Woche blieb
man meist relativ teuer und ins Ausland gab es außerhalb von
punktuellen Sonderaktionen nur begrenzt attraktive Tarife. Vodafone
setzte hauptsächlich auf seine anderen Angebote in den Bereichen
Festnetz (Arcor-/Vodafone-Komplettanschlüsse für ISDN / DSL, später dann auch Kabel Internet mit
den übernommenen Kabelnetzbetreibern Kabel Deutschland und Unitymedia)
und Mobilfunk (im einstigen D2-Netz).
- BT
Germany (ehemals Viag
Interkom): Auch die 01090 war bis zuletzt für CbC nutzbar, spielte
aber tariftechnisch schon seit Jahren keine allzu wichtige Rolle mehr
im TK-Markt für Privatkunden. BT Germany wurde immer mehr zu einem
Geschäftskunden-Anbieter, das CbC-Angebot lief da eben noch weiter mit.
Wer in den 2000er Jahren über ein analoges Modem oder einen ISDN-Zugang
ins Internet ging, kannte BT Germany evtl. auch von den monatlichen
Abrechnungen auf der Telekom-Rechnung, denn BT Germany war lange Zeit
auch noch Betreiber einer Plattform für Internet-by-Call-Zugänge, die
über verschiedene Reseller und deren Untermieter vermarketet wurde.
- 3U:
Aus dem ursprünglich reinen TK-Unternehmen 3U wurde mit der Zeit eine Holding,
die neben verschiedenen TK-Tochterunternehmen (zu denen neben
verschiedenen CbC-Vorwahlen zeitweise auch der
Glasfasernetzbetreiber Lambdanet gehörte) auch Beteiligungen in den
Bereichen "Erneuerbare Energien" und "Sanitär, Heizung, Klima" umfaßt.
Im TK-Bereich selbst betrieb man bis Ende 2024
gleich mehrere Vorwahlen über verschiedene Tochtergesellschaften
(01078, 01053, 01069, 01017, 010017) und wurde auch zunehmend zu einem
Großhandelsanbieter für andere TK-Gesellschaften.
- Westend Management: Betrieb
zuletzt 9 CbC-Vorwahlen (01094, 01049, 010049, 01059, 01066, 01072,
01073, 01085, 01095), die unter anderem aus der einstigen (Global) Star
Communications (einst die deutsche Tochtergesellschaft der
amerikanischen Startec) bzw. Atelio hervorgegangen waren.
- 01051:
Mit der Einführung der Tarifansage und einer sehr schlanken
Organisation ab 1999 ein engagierter Herausforderer der Telekom – über
die Jahre entstand mit verschiedenen "verwandten" Gesellschaften eine ganze Familie
an CbC-Vorwahlen: 01051, 01015, 01071, 01026, 01035, 01047, 01081, 01084.
- 01058
/ Callax: Von Aufmachung und Geschäftsmodell her ziemlich ähnlich zur
oben erwähnten 01051. Auch hier entstand über die Jahre ein vielfältige
"Familie" an CbC-Vorwahlen (01058, 01027, 01029, 01030, 01037, 01042,
01054, 01077, 010029, 010057, 010058). Zu den ebenfalls am Markt
befindlichen Vorwahlen 010012 und 01057 von Mega Communications gab es
offenbar verwandtschaftliche Beziehungen „hinter den Kulissen“, aus
technischer Sicht ließ sich aber vermuten, daß die
Callax-Vorwahlen und die Mega Communications-Vorwahlen eher über
unterschiedliche Technik-Plattformen liefen.
- Ventelo:
Ausgehend von der
ursprünglichen Plusnet-/Esprit-Telecom-Vorwahl 01040 baute Ventelo mit
den Vorwahlen 01012, 01052, 01079, 01097, 01098, 010018, 010052,
010088, 010090 eine große CbC-Familie auf und vermarktete außerdem auch
noch die Vorwahlen anderer Anbieter: 01011 (TKplus) und die 01088 von
Verizon (ehemals Worldcom). Ventelo an sich hatte eine bewegte
Geschichte hinter sich (siehe den vorherigen Teil) und entstand aus dem
Festnetz-Geschäft des internationalen Carrier GTS, der zuvor die in
Deutschland tätigen Anbieter Esprit Telecom und Westcom übernahm.
-
Ecotel: Vor allem im Markt für Geschäftskunden und andere TK-Anbieter
tätig. Unternehmen aus der
Ecotel-Familie vermarkteten ab den späten 2000er Jahren im
anmeldefreien
Call-by-Call die „fremden“ Vorwahlen 01028 von COLT (seit 2009 als
„Sparcall“ auf dem Markt), 01038 von Telefonica (seit 2011 als
"Tellmio",
davor wurde die Vorwahl 01038 von anderen Unternehmen vermarktet: 01038
Sparfon, Primacall und zeitweise Telefonica selbst) und zeitweise auch
die 01041 von Hansenet (als "Tellina"). Ecotel ist an Anbieter für
Großkunden und anderen TK-Unternehmen auch heute am Markt aktiv.
- Freenet:
Der
Veteran unter den CbC-Anbietern, der 1998 zu den allerersten Anbietern gehörte, blieb mit den Vorwahlen 01019 und 01024
bis zuletzt im Geschäft. Mit der 01050 behielt man auch noch bis Ende 2022 (also zwei Jahre vor Ende der CbC-Ära)
die Vermarktung der einstigen Talkline-Vorwahl in der eigenen Hand
(nachdem das ursprünglich als Talkline ID übernommene Geschäft mit
Sonderrufnummern schon Jahre zuvor an Mr. Net verkauft worden war). Das "eigene"
Telefonnetz, das man in den 2000er Jahren aufbaute, wurde 2010 an
Ventelo abgegeben, man war daraufhin quasi "Untermieter" im NGN-Netz
von Ventelo. Die Vermarktung der Vorwahl 01074 und 01083
wurde in den letzten Jahren an andere Anbieter abgegeben (s. weiter unten).
-
Tele2 (01013): Ebenfalls seit 1998 auf dem CbC-Markt tätig, blieb man
diesem Markt bis zum letzten Tag treu, auch wenn man die Vorwahl
zuletzt nicht mehr wirklich aktiv vermarktete.
In den letzten Jahren hatte sich Tele2 aus immer mehr Ländern
zurückgezogen – die deutsche Niederlassung wurde dabei an das
Management derselbigen verkauft (das Unternehmen heißt nun Stroth
Telecom, der Markenauftritt erfolgte schließlich unter dem Namen Amiva). CbC über
die 01013 ging bis zuletzt, DSL wurde schon seit Jahren nicht mehr groß
beworben; heute bietet man als "Amiva" verschiedene Mobilfunk- und
Glasfasertarife an.
- First
Telecom:
Mit Calling-Cards schon Ende der 1990er Jahre im deutschen Markt aktiv.
Lieferte sich damals einen Rechtsstreit mit der Telekom zur Frage,
wieviel Geld man für die Einwahl von Calling-Card-Kunden über eine
0800-Rufnummern aus den Mobilfunknetzen zahlen muß. Entwickelte sich im
Laufe der Jahre zunehmend zu einem Anbieter für Servicenummern und
Bezahldienste. "First Telecom" und das verwandte Unternehmen "First
Communications" waren mit den Vorwahlen 01039 und 01099 lange am CbC-Markt
vertreten, in den 2010er Jahren wurden auch die einst zu Freenet
gehörenden Anbieter 01074 Tellfon und 01083 Sparfon übernommen, sowie
über das Unternehmen Payment United auch die zuvor anderweitig
vergebene CbC-Vorwahl 01060 - in den letzten CbC-Jahren wurde aber die
Vermarktung der verschiedenen CbC-Vorwahlen abgegeben (nur die 01074
schien bis zuletzt in der eigenen Familie verblieben zu sein?).
-
Belcotel /
Dritte Hansestar und weitere: Die CbC-Vorwahlen 010040, 01010, 01020,
01025, 01036 wurden in den letzten Jahren durch verschiedene Unternehmen mit
zeitweise identischem Geschäftsführer, identischer Adresse im Impressum und ähnlichem
Marktauftritt im Internet vermarktet, hinzu kam schließlich auch die
Vermarktung der "fremden" Call-by-Call-Vorwahlen 01039, 01060, 01065,
01083 und 01099.
Hinzu
kamen noch einzelne kleine Anbieter wie Prompt (01055) und Median
Telecom (01063), die aber am Markt eher eine Nischenrolle einnahmen.
Versatel hatte die einstige Tesion-Vorwahl 01023 bis zuletzt behalten,
aber nie groß beworben und daher auch keine wirkliche Bedeutung mehr im CbC-Markt.
Alle Teile der Artikelserie finden Sie in folgender Übersicht:
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