Die Geschichte von Call-by-Call und Pre-Selection - Teil 4: Wie
clevere Nutzer selbst für mehr Wettbewerb sorgten und CbC im Ortsnetz
doch noch eingeführt wurde
Zum
Jahreswechsel 2024/2025 wurden die vor allem früher von vielen
Telekom-Kunden genutzten Dienste Call-by-Call und Pre-Selection (zum
günstigen Telefonieren über andere Anbieter) abgeschaltet. Eine gute
Gelegenheit für einen Rückblick auf ein wichtiges Kapitel in der Geschichte des deutschen Telekommunikationsmarktes
Findige
Nutzer wollten sich aber damit nicht zufrieden geben, daß Ortsgespräche
anfangs von Call-by-Call ausgeschlossen waren – und so wurden
verschiedene Auswege gesucht und entdeckt.
Einer
davon war der „0049-Trick“: Während die Telekom Verbindungen nach dem
Muster „<CbC-Vorwahl> - <Rufnummer im eigenen Ortsnetz>“
oder „<CbC-Vorwahl> - <eigene Ortsvorwahl> - <Rufnummer
im eigenen Ortsnetz>“ erkannte und gar nicht erst zum gewünschten
CbC-Anbieter durchstellte (sondern selbst abwickelte), dachte sie
zunächst nicht
daran, daß man ja auch noch die deutsche Landesvorwahl „0049“
dazwischenwählen konnte. Wer also „<CbC-Vorwahl> - <deutsche
Landesvorwahl 0049> - <eigene Ortsvorwahl ohne führende "0"> -
<Rufnummer im eigenen Ortsnetz>“ wählte, konnte letztlich doch
über einen CbC-Anbieter telefonieren. Die Telekom bemerkte diesen Trick
aber nach einiger Zeit und programmierte ihre
Vermittlungstechnik so um, daß auch diese Verbindungen erkannt und
ausgefiltert wurden.
Eine
andere Lösung versuchte der CbC-Anbieter 01051, der die eigentlich nur
für Prüfzwecke gedachte Rufnummerngasse „031“ kombiniert mit der
eigenen Netzkennzahl 01051 für ein eigenständiges Verbindungsangebot
mit Namen „Teledump“ nutzen wollte. Man konnte also über die
„01051-031“ wie über eine normale CbC-Vorwahl telefonieren, nur daß
hierüber dann auch Ortsgespräche möglich waren. Die Telekom ging auch
hiergegen vor und unterband diese Zweckentfremdung der „031“-Gasse.
Daraufhin wich Teledump auf eine Online-Einwahlnummer (0192101) aus,
was letztlich aber ebenfalls untersagt wurde.
Ein
Nutzer im Forum des Online-Magazins Teltarif hatte schließlich die
Idee, daß man doch die seinerzeit existierenden 0190-0-Rufnummern (eine
frei tarifierbare Untergasse der damals für teure „Mehrwertdienste“
genutzten 0190-Rufnummen) für solch einen Telefondienst nutzen könnte.
Diese Idee wurde auch tatsächlich aufgegriffen (mit der 0190-031),
Ortsgespräche waren aber seitens des Anbieters erstmal noch bewußt
gesperrt.
Ich
selbst sprach damals kurze Zeit nach dem Start mit der 01051-Presseabteilung
und präsentierte dort meine Einschätzung, daß bei 0190-0-Rufnummern ein
Ausschluß von Verbindungen innerhalb des Ortsnetzes nicht verlangt
werden könne, denn schließlich kann es auch bei einer „normalen“
0190-Rufnummer vorkommen, daß Anrufer und Angerufener im gleichen
Ortsnetz sitzen. Kurze Zeit später startete mit „Telediscount“ ein
weiterer 0190-0-Anbieter (0190-035), über dessen „Verwandschaft“ mit
den oben genannten Firmen lange diskutiert werden konnte und der es
dann wagte, auch Ortsgespräche zu vermitteln. Wiederum kurz darauf
bot der 0190-0-Pionier Teledump dann ebenfalls Ortsgespräche an.
Ob mein Anruf das in
irgendeiner Form ausgelöst oder zumindest begünstigt hatte, konnte nie
geklärt werden (und wird es wohl auch nicht mehr), aber der zeitliche
Zusammenhang war doch zumindest irgendwie interessant…
Die
Verwendung von 0190-0-Rufnummern war somit der Dreh, mit dem sich diese
CbC-ähnlichen Angebote im Markt halten und etablieren konnten. Neben
der 01051-Familie entstanden auch noch weitere entsprechende Dienste
anderer CbC-Anbieter (z.B. von 01058, Ventelo, Talkline und Tele2).
Die damalige
Regulierungsbehörde (RegTP) versuchte, diese 0190-0-Angebote generell zu
untersagen, konnte sich hiermit aber nicht wirklich durchsetzen.
Ein
wesentlicher Einschnitt für diese Dienste dürfte vielmehr die
Umstellung von 0190-Rufnummern auf den Bereich 0900 gewesen sein. Mit
der Abschaltung der alten Mehrwertdienstegasse 0190 zum Jahreswechsel
2005/2006 war notgedrungen auch für die 0190-0-Anbieter
von CbC-ähnlichen Diensten Schluß. Während wohl die meisten
"normalen"
0190-Hotlines etc. einfach in den neuen 0900-Vorwahlbereich wechselten,
der dem Nummernbetreiber nun weitgehende Freiheit bei der
Tariffestlegung ermöglichte, unternahmen die meisten der
"Quasi-Call-by-Call" Angebote im Bereich 0190-0 diese Umstellung nicht.
Aus der 01051-Familie gab es noch
Versuche mit Teledump (vorher 0190-031, danach 0900-1035) und dem
"neuen" Angebot 0900-1051, die aber nach wenigen Jahren vom Markt
genommen wurden. Aus der Konkurrenz-Familie 01058/Callax gab es zwei
Angebote, die bereits 2003 an den Markt gingen und sogar bis zuletzt
durchhielten: Centalk (anfangs 09005310, später 0900531) und Centel
(090050).
Daß
es im 0900-Bereich kaum noch CbC-ähnliche Angebote gab, dürfte mehrere
Gründe gehabt haben: Die 0190-Nummern wurden noch in ganzen
Rufnummernblöcken zugeteilt, was dann relativ kurze "Einwahlnummern"
ermöglichte. Bei 0900 wurde aber das Prinzip der Einzelzuteilung
eingeführt, sodaß ein 0900-"CbC"-Anbieter viele zusammenhängende
Rufnummern hätte reservieren müssen, um eine kurze 0900-Einwahlnummer
realisieren zu können. Zudem etablierte sich in den 2000er-Jahren das
Prinzip der "Call-by-Call-Familien", wo einfach neue Unternehmen
gegründet wurden, wenn man weitere CbC-Vorwahlen betreiben wollte.
Außerdem
kam daß das lange vermißte und heiß diskutierte Ortsnetz-Call-by-Call
ja 2003 doch noch, sodaß man für Ortsgespräche keinen extra Umweg mehr
brauchte.
Ab
Mai 2003 (und damit quasi passend zum Start dieses Internet-Angebotes,
in dem sie diesen Text gerade lesen) wurde Call-by-Call im Ortsnetz
endlich offiziell eingeführt. Grundlage hierfür war ein reformierter
§43 Abs. 6 TKG, in dem es nunmehr hieß:
„Betreiber
von öffentlichen Telekommunikationsnetzen, die über eine
marktbeherrschende Stellung nach § 19 des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen verfügen, haben nach Maßgabe des Satzes 3 in
ihren Netzen sicherzustellen, dass jeder Nutzer die Möglichkeit hat,
vermittelte Telekommunikationsdienstleistungen aller unmittelbar
zusammengeschalteten Betreiber von öffentlichen
Telekommunikationsnetzen auszuwählen, und zwar sowohl durch
Betreiberauswahl im Einzelwahlverfahren durch Wählen einer Kennzahl,
als auch durch Betreibervorauswahl, wobei jedoch bei jedem Anruf die
Möglichkeit besteht, die festgelegte Vorauswahl durch Wählen einer
Betreiberkennzahl zu übergehen. Der Nutzer soll dabei auch
unterschiedliche Voreinstellungen für Orts- und Fernverbindungen
vornehmen können. Im Rahmen der Ausgestaltung der zur Erfüllung dieser
Verpflichtung erforderlichen Netzzusammenschaltung ist bei
Entscheidungen nach dem dritten, vierten und sechsten Teil dieses
Gesetzes zu gewährleisten, dass Anreize zu effizienten Investitionen in
Infrastruktureinrichtungen, die langfristig einen stärkeren Wettbewerb
sichern, nicht entfallen und dass eine effiziente Nutzung des
vorhandenen Netzes durch ortsnahe Zuführung erfolgt. Insbesondere ist
hierbei sicherzustellen, dass der vom Nutzer ausgewählte Netzbetreiber
angemessen an den Kosten des dem Nutzer bereitgestellten
Teilnehmeranschlusses beteiligt wird.“
Dieser
trockene Text hatte gleich mehrere Auswirkungen: Zum einen wurden damit
– wie weiter oben bereits angedeutet – Call-by-Call und Pre-Selection
auch für Ortsgespräche (also Verbindungen innerhalb eines Ortsnetzes)
freigegeben. Zum anderen wurde damit aber auch die Pflicht zu einer
Ermöglichung dieser Dienste auf marktbeherrschende Anbieter (und damit
die Telekom) beschränkt. Andere Anschlußanbieter mußten folglich kein
CbC mehr anbieten – und das gerade zu einer Zeit, als langsam mehr
Angebote zum kompletten Anschlußwechsel auf den Markt kamen und auch immer
mehr Nutzer diese Wechselmöglichkeiten nutzten.
Das
„Call-by-Call über die Telekom“ mit der 01033 aus den Netzen anderer
Anschlußbetreiber hielt sich im Markt aber sogar noch bis Juni 2005,
als die Telekom dann selbst die entsprechenden Nutzerverträge hierfür kündigte.
Alle Teile der Artikelserie finden Sie in folgender Übersicht:
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